Im Frühjahr 2025 habe ich im Namen der Initiative Geschlecht zählt zwei Verfahren angestrengt: Eines gegen das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR), eines gegen das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). In beiden Fällen geht es nicht um Weltanschauungen oder politische Überzeugungen, sondern um verfassungsrechtliche Grundsätze – insbesondere um die staatliche Neutralitätspflicht, das Recht auf Informationszugang und die Grenzen staatlich geförderter Meinungsbildung.
Doch die öffentliche Reaktion zeigt: Wir leben in einer Zeit, in der juristische Differenzierungen kaum mehr Raum finden, wenn es um sensible gesellschaftspolitische Themen wie Geschlecht, Sexualität oder Gleichstellung geht.
Ich beobachte zunehmend, dass der demokratische Diskurs nicht mehr funktioniert, sobald jemand eine abweichende rechtliche Position einnimmt. Wer etwa die staatliche Pflicht zur Zurückhaltung in normativen Fragen der Geschlechtsidentität betont, wird nicht selten reflexhaft etikettiert: als „reaktionär“, „transfeindlich“ oder „antiliberal“.
Dabei geht es in diesen Verfahren weder um die Abwertung von Personen noch um ein Zurückdrehen gesellschaftlicher Entwicklungen. Es geht darum, dass staatlich geförderte Stellen keine einseitige politische Position vertreten dürfen, ohne alternativen Sichtweisen Raum zu geben oder sachliche Einwände zu prüfen. Es geht um die Wiederherstellung juristischer Distanz in einem Feld, das längst von aktivistischen Dynamiken überformt ist.
Die Schwierigkeit liegt darin, dass die Debatte heute oft auf eine persönliche oder moralische Ebene gezogen wird. Statt juristische Argumente zu prüfen – etwa ob das DIMR aufgrund seiner Finanzierung und seines gesetzlichen Auftrags zur Neutralität verpflichtet ist – wird schnell unterstellt: Wer solche Klagen erhebt, ist gegen Vielfalt oder gegen Gleichstellung.
Diese Zuschreibungen erschweren nicht nur die anwaltliche Arbeit, sie gefährden auch den Rechtsstaat als Ort des strukturierten Interessenausgleichs. Denn das Recht lebt nicht von Gesinnung, sondern von Trennung: von Person und Argument, von politischer Bewertung und rechtlicher Prüfung.
Ich verstehe meine Rolle als Anwalt nicht darin, politische Haltungen zu vertreten. Sondern darin, rechtliche Streitfragen sachlich zu prüfen, Konflikte zu strukturieren und Lösungen zu erarbeiten, mit denen beide Seiten leben können – auch und gerade in politisch aufgeladenen Verfahren. Das setzt jedoch voraus, dass man abweichende Positionen überhaupt noch artikulieren darf, ohne stigmatisiert zu werden.
Das Recht bietet – oder sollte bieten – einen Raum für respektvolle Auseinandersetzung, gerade dort, wo Gesellschaften in Bewegung sind. Dieser Raum darf nicht durch moralische Vorverurteilung ersetzt werden. Denn was heute als „fortschrittlich“ gilt, kann morgen bereits einer kritischen Neubewertung unterliegen. Nur ein Recht, das sich nicht vereinnahmen lässt, bewahrt seine Integrität und das Vertrauen der Öffentlichkeit.
Die Verfahren, die ich im Namen der Initiative Geschlecht zählt führe, mögen kontrovers sein. Doch sie sind ein Prüfstein dafür, ob unser Rechtsstaat auch in aufgeladenen Debatten noch sachlich argumentieren kann – oder ob wir uns daran gewöhnen, dass juristische Positionen nach politischer Opportunität bewertet werden.
Mein Anliegen als Anwalt bleibt: Verständigung durch Recht. Nicht Rechthaben durch Lautstärke.